30.05.2012

Stufen

Hermann Hesse (1877-1962)

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

1 Kommentar:

ArchiTobi hat gesagt…

Wieso gerade jetzt dieses Gedicht, Ferdi !?!



Warum ich das frage...wir haben gerade einen 23jährigen Voluntär verloren. Er starb am Mittwoch morgen an den Folgen einer Malariaerkrankung. Er hatte zwar Vorerkrankungen, die letztlich für seinen Tod ausschlaggebend waren, aber totzdem stellt sich die Frage nach dem warum.
Vieles, dem wir Priorität einräumen und als notwendig erachten scheint plötzlich, und um auf deinen vorletzten Eintrag zu sprechen zu kommen, nicht wirklich wichtig oder gar notwendig. Es ist der Zeitpunkt, um inne zu halten, sich selbst zu überprüfen...und dann so weiter zu machen wie bisher?!? Ich weiß nicht, was kommen wird, aber es geht nur nach vorne...

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde....